reflections

Geile Blicke und Sehnsucht im weißen Raum
Text by Claudia Raupach; Illustration by Stefanie Raupach

 

Ein Rücken. Eine passende Pose. Ein Kopf, leicht schräg. Vielleicht eine Hand am Kinn. Graues, volles, wissendes Haar. Oder androgyne Outfits an mageren, jungen Körpern. Viel Schwarz und Haut. Vielleicht auch ein Schal, der auf den Schultern drapiert ist. Kein Gesicht. Ein Kunstwerk hinter ihm. Drumherum viel weißer Raum. Was steht da? Eine Bildkomposition. Oder eine Beziehung. Passt.

Mal ein junger, wilder Rücken, mal ein alter, weiser Rücken, mal leicht ironisch oder einfach kontrastlos passend. Die einzigen Konstanten: der Rücken und das Kunstwerk hinter dem Rücken. Absender*innen dieser Typen-Kompositionen sind Galerien, Museen, Kunstmessen und du und ich, also Leute, die auf Ausstellungseröffnungen gehen und sich von den kursierenden Hashtags und dem nächsten Post, der ganz schön drückt, nicht freimachen wollen. So laufen wir alle aus ganz unterschiedlichen Richtungen mit geilem Hashtagblick durch die verheißungsvollen, vermeintlich kontemplativen Kunstorte. Wir suchen nach sich aneinander anlehnenden Farben, miteinander kuschelnden Materialien, Kontrasten, Exoten oder schlicht und einfach nach Gemeinsamkeiten. Warum auch nicht. Wir finden schließlich was wir suchen in den vielen Rücken, die vor den Werken stehen. Hashtag peoplelookingatart. Wir wollen diese begehrenswerten, beziehungsfreien Momente festhalten und mit unserer Instagram-Community teilen.

Es geht um das Begehren.

Auch wenn mir der weiße Raum, in dem der Rücken steht und der Kunstkontext erstmal fremd sind, strotzt es hier nur so vor Zeichen, die mein Begehren wecken. So wie ich damals die Cora in der Vorabendsoap „Gute Zeiten Schlechte Zeiten” begehrt habe, ihren Körper und ihr Auftreten im Raum (der Großstadtkulisse), so begehre ich heute und hier den Rücken im ordentlich, weiß gestrichenen Galerieraum. Er, der sich an diesem gleichsam beziehungslosen und begehrenswerten Ort wohl zu fühlen scheint. Er weiß sich hier zu bewegen, sich richtig zu platzieren und teilt darüber hinaus, freundlicherweise seine Seherfahrung mit mir. Seine Anonymität steigert mein Begehren, es ihm gleichzutun und mich mit meinem Rücken direkt daneben zu stellen. Die Kunst hinter dem Rücken ist Nebensache.

Wenn ich das Hashtag #peoplelookingatart in die Instagram-Suche eingebe, reihen sich diese Postings mit Rücken vor Kunstwerken aneinander. Was oder wen betrachten wir aber auf den Fotos, die sich unter diesem Hashtag sammeln? Oder besser: Was werden wir betrachtend gemacht? Die berghaintauglichen Outfits, die schlanken Figuren, die falsche Sehnsüchte wecken, nach trainierten Körpern und stabilen Psychen? (Und uns außerdem mit jedem neuen Post darüber aufklären, wer in den Kunsträumen Platz hat und wer nicht?) Ich fühle Sehnsucht, nur weiß ich nicht genau wonach.

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