Die Grenzen der Unendlichkeit – Jaqueline Hens „Light High“ – International Light Art Award (ILAA) 2019 by Petroschek Wulgarow
Im Kellerraum spannt sich ein quadratisches Gittermuster aus Lichtlinien, LED-Stripes, die hinter schwarzen Profilen versteckt intensives weißes Licht emittieren. Zum Podest im Inneren des Raumes führt ein Steg und zwar nicht nur ein symbolischer, denn zu beiden Seiten ist Wasser in die quadratische Rauminstallation eingelassen. So bildet das schwarze Wasser auf dem Grund einen Spiegel, der sich mit den Spiegeln an der Raumdecke in eine unendliche Reflektion begibt. Das Gittermuster wird infinit gespiegelt und versetzt den Betrachter auf dem Steg oder dem Podest in der Mitte des Raumes in ein Gefühl des Schwebens.

Die erste Faszination mit dem Schweben jedoch tritt zurück hinter eine beginnende Orientierungslosigkeit. Nur durch den Blick zurück zur großen Öffnung des Raumes ist es möglich mit der Wirklichkeit verankert zu bleiben. Nach einer Weile des Betrachtens des leuchtenden Gitters beginnt sich das Auge auf die absolute Schwärze dahinter zu richten, die ebenfalls unendlich und erdrückend die beginnende Einsamkeit in der Mitte der Plattform noch verstärkt. Dass es sich dabei nur um eine schwarze Wand handelt, nicht mehr, muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen. Das Gefühl von Raum und Zeit geht nach und nach abhanden. Tippt man mit dem Finger ins Wasser und wirft so Wellen, zerfasert und verzerrt sich die Spiegelung des Gittermusters in eleganten wogenden Bewegungen, die Unendlichkeit löst sich vor den eigenen Augen auf und stellt sich wieder her, wenn das Wasser wieder ruhig wird. Eine Interaktionsmöglichkeit und ein weiterer Ausweg für die Betrachtenden nicht nur ausgeliefert zu sein in diesem endlos beschränkten Raum, sondern aktiv zu werden; aber eine trügerische. Denn durch die Interaktion wird der Raum noch immersiver, zieht noch mehr in die Faszination des Abgrunds.

Man kann der Gewinnerinstallation „LIGHT HIGH“ nichts vorwerfen: Alles ist sehr wohl überlegt, viele physikalische und optische Effekte schicken sich an, ein Spektakel in unseren Gehirnen zwischen beruhigend und verstörend zu erzeugen. Die Wahrnehmung selbst wird im Erleben des immersiven Raumes verändert, manipuliert und infrage gestellt. Betrachtende werden in eine Situation versetzt, die sie vor allem an der Wirklichkeit, die ihnen ihr Sehsinn liefert, zweifeln lässt, aber auch eine Auseinandersetzung mit nichtvisueller Raum- und Zeitwahrnehmung befördert.
Wollte man dem Kunstwerk etwas vorwerfen, dann, dass es vielleicht zu Selfie-fähig ist, zu instagrammable, zu shareable und likeable, zu gut als Promotionsmaterial für die kommenden Generationen des International Light Art Awards powered by Innogy Stiftung dienen kann. Schaden tut es dem Werk aber nicht und spielt letztlich auch gar keine Rolle, denn kein Video und kein Bild der Installation können dem profunden Erlebnis gerecht werden, das der Aufenthalt in diesem virtuellen Raum erzeugt.
