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Sophie Aigner

Alright, it means something to me*

 

Ein paar Tage, nachdem mein Freund sich von mir getrennt hatte, fand ich ein Haar von ihm auf dem Bett. Ich ließ es liegen und schlief daneben, lange Zeit machte ich das so. In eine Tüte habe ich das Stück Nabelschnur gesteckt, das abgeschnitten wurde, bei der Geburt meines Babys. Ich hab das immer noch. Zweimal war ich dabei, als sich meine Mutter den Oberschenkel brach. Das nur nebenbei, aber ich glaube, ich hätte lieber einen Knochen von ihr statt Asche, wenn sie tot ist.

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A few days after my boyfriend had broken up with me, I found a hair of his on the bed. I left it and slept next to it, for a long time I did that. In a bag I put the piece of umbilical cord that was cut when my baby was born. I still have that. Twice I was there when my mother broke her thigh. That’s just by the way, but I think I’d rather have a bone of her instead of ashes when she’s dead.

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Wenn ich als Kind zuhause versehentlich fluchte, musste ich mich zur Strafe auf ein Bein stellen. Meine Freundin dagegen, die hatte einen Vater, der ständig scheiße sagte, rauchte und seine Frau betrog. Irgendwann beschlossen meine Freundin und ich, regelmäßig abends tanzen zu gehen und wenn wir am nächsten Morgen aufwachten, hatten wir den Stempel des Clubs verteilt auf unseren Körpern. Dann stellten wir uns vor, wie wir wohl geschlafen haben mögen, Hand an Po, Arm an Stirn: immer irgendwie Schräglage.

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When I was a child and I cursed at home I had to stand on one leg as punishment. My girlfriend, on the other hand, had a father who constantly said shit, smoked and cheated on his wife. At some point, my friend and I decided to go dancing every weekend and when we woke up the next morning, we had the stamp of the club all over our bodies. Then we imagined how we might have slept, hand to butt, arm to forehead: always somehow slanting.

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In regelmäßigen Abständen träume ich davon, auf einem öffentlichen Klo zu performen. Also das Klo steht umringt von weiteren Klos, und ich verbiege meinen Körper, um meinen nackten Po nicht zu zeigen. Als ich ein Kind war, da habe ich mir einmal in der Schule alle Klamotten ausgezogen, mich auf den Tisch gestellt und getanzt. Später mußte ich zur Direktorin, und ich habe eine Verwarnung bekommen. Vielleicht sollte ich von nun an die Direktorin mit aufs Klo nehmen, und sobald ich meinen Körper verbiege, könnte sie meinen nackten Po abfeiern.

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Every now and then I dream of performing in a public toilet. The toilet is surrounded by other toilets and I twist my body so as not to show my naked bottom. When I was a child I once, at school, took off all my clothes, stood on the table and danced. Later I had to go to the director and got a warning. Maybe from now on I should take the principal to the public toilets and as I twist my body the director could dance away my bare butt.

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Einmal hat mir eine Freundin einen Rotzfleck auf dem Kleid hinterlassen. Sie weinte auf ihrem Bett liegend, mit einem Kissen in der Hand, und meine Freundin sagte „Mutter“. Viele Jahre später knetete ich Ton zu Taschentüchern, drückte sie mir auf die Nase und zerknüllte sie. Dazu ließ ich einen Kinderchor abspielen, wer wird denn weinen, wer wird denn weinen, war da zu hören.

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Once a friend of mine left a snot stain on my dress. She was crying lying on her bed with a pillow in her hand and my friend said, “Mother.” Many years later I kneaded clay into handkerchiefs, pressed them to my nose and crumpled them up. In addition, I had a children’s choir played, who’s gonna cry, who’s gonna cry, was to be heard there.

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Als ich meiner Tante die Haare abrasierte, bevor sie sie verlieren konnte, saßen wir in der Mitte des Zimmers und ich fuhr ihr erst mit der Schere und dann mit dem Rasiermesser über den Kopf. Mein Onkel blieb am Leben, mit krausen Haaren und einem langen Bart. Mein Kind habe ich hockend auf die Welt gebracht, und als die Geburt gegen Ende ging, da sagte die Hebamme, das Haar kann man schon sehen.

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When I shaved off my aunt’s hair before she could lose it, we sat in the middle of the room and I went over her head first with the scissors and then with the razor. When she died a short time later, my uncle remained alive, with frizzy hair and a long beard. I gave birth to my child squatting, and when the birth was nearing its end, the midwife said that the hair could already be seen.

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*Excerpts from the artist book: Alright, it means something to me, forthcoming from Verlag für Moderne Kunst Wien, 2024.

 


Sophie Aigner studied Fine Arts at the Bauhaus-University Weimar and at the HfBK Hamburg. Exhibitions include Benaki Museum Athens, Union Gallery London, Eikon Schaufenster Wien, Galerie im Körnerpark Berlin, Industriemuseum Chemnitz, Temporary Gallery Köln, D21 Leipzig, Emily Harvey Foundation New York, Sox Berlin. Her writings were published in books and magazines such as „Materialeffekte“ (Jovis Verlag), „DieNadel“ (Universität Leuphana), „Über das Zarte“ (Frankfurter Verlagsanstalt), vonhundert, tegelmedia, Simulacrum Magazine. Grants include Stipendium Stiftung Kunstfonds, Stipendium Deutscher Künstlerbund, Recherchestipendium Berlin, VG Bildkunst, Residency Viborg Kunsthal Denmark.