slating

Slating 4: Art Week 2019 – RapKreation PopUp in der Sabot Mimi Faster Galerie oder: Weil es der feine Herr so wollte.

Vor einer Weile schrieb mich ein Künstler über Instagram an, ob wir uns mal treffen wollten. Ich fühlte mich geschmeichelt. Wir trafen uns also in einem hippen Café in Kreuzberg, danach gab es einen kleinen Studiovisit und schließlich stellte er mir seinen Kunstraum vor, den er mehr und mehr beleben wollte. Er gestand mir, dass er eigentlich keinen meiner Texte gelesen hätte und nur mein Aussehen witzig fand. Nichts Unübliches also. Ich versprach ihm einen Verriss seiner nächsten Aktion. Hier ist er also.

Die Sabot Mimi Faster Gallery ist das kunsträumliche Äquivalent zu Scooters Song „Faster Harder Scooter“. Nein. Nochmal.

Die kleine Ladenfläche der Sabot Mimi Faster Galerie hat dasselbe Konzept wie jeder andere Kunstraum in Berlin, der vordergründig nicht verkaufen will: Ausstellungseröffnungen locken durstige Kunden an, die günstig ein Bier gegen Spende kaufen und anschließend mit der Kunst im Rücken darüber sprechen können, was für Projekte sie gerade so geplant haben; mit den Bierspenden wird die Miete bezahlt. Und genau dieses Format versucht der freie Künstler /Schrägstrich/ Maler Bhima Griem zu überwinden. Bhima ist hier der Hausherr und probiert immer mal etwas Neues aus, versucht Twists, vermietet den Raum an bedürftige Künstler für einen schmalen Taler. Seine Veranstaltung zur Berlin Art Week lässt sich in etwa so zusammenfassen:

Die Galerie wurde zu einem Rap Pop Up Store, in dem die Kreuzberger Rapgruppe RapKreation ihren Merchandise verkaufen konnte. Bhima Griems Kunst war als Tarnkunst im Raum gut sichtbar versteckt. Um es auch wirklich ein Art Week Event zu machen, war das Magazin Textur dazu eingeladen, sein neuestes Printerzeugniszu verticken.

Cloudrap ist extrem populär bei diesen jungen Leuten. RapKreation hat das erkannt.
Cloudrap ist extrem populär bei diesen jungen Leuten. RapK hat das erkannt. // picture courtesy the author

Die Szenerie muss man sich also so vorstellen: Etwa so um die 20 bis 25 Jahre alte Hiphopper, die ihren Erfolg feiern, stehen vor dem Laden und rauchen Kette, während bis zum Erbrechen laut Cloudrap aus einem Baustellen-Speaker bumst, und verkaufen selbstgestaltete Kleidung. RapKreation hat Erfolg und das sieht man – wie groß und wie viel lässt sich nicht ohne weiteres sagen.

Bhima Griem ist eine Persönlichkeit, trocken und ironisch. Sein Kunst ist nicht dumm oder flach, das gesamte Setting ist wohl durchdacht, zeigt seinen eigentümlichen Humor und ist Teil einer umfassenden Metamessage. Allein schon das von ihm zusammengeschusterte Plakat etablierte eine der vielen Metaebenen des Abends. Auf seine Kunst angesprochen, konnte er sogar verhalten etwas darüber erzählen, was ganz vernünftig und nahbar klang. Ob man es auch akustisch verstand, hing von der Fähigkeit ab, Hiphop-Musik nicht wahrzunehmen oder Lippen lesen zu können.

Promotionsplakat für RapKreation PopUp Store in der Mimi Sabot Faster Galerie mit RapK, Bhima Griem und Textur Magazin
Wie actiongeladen der Abend werden würde, verriet bereits das Plakat der Veranstaltung. // picture courtesy of the author

Da stand ein kleines Vogelhäuschen mitten im Raum, an dem Bhima Kopfhörer angebracht hatte. Wer jetzt glaubte, dem störenden Cloudrap im Raum entkommen zu können, indem er sich die Ohrhörnchen aufsetzte wurde von der anderen Seite mit Punk, Metal und Heavyrock angeschrien. Das findet der feine Herr Griem witzig. Ein Gemälde, das sich thematisch mit Ikonizität beschäftigt, zeigt auch eine Bekannte von Bhima, die modelt. Er scheut sich nicht davor, es privat werden zu lassen. In einer Ecke ist ein frisches Tagesbrot als Wandhalterung angebracht – sieht lecker und ästhetisch aus. Ansonsten ist die ganze Bude streetstylisch mit Tags verziert/verschmiert – authentisch möchte man meinen. Bhima wird es eine Woche später übermalen müssen, bevor der nächste Künstler in den Raum kommt. Bhima ist Maler. Ein authentisches Hiphop-Ambiente also. Nicht zu vergessen das Bier-Sponsoring am Eingang rechts, zwei gesplitterte Flaschen, darüber ein getaggtes Bier-Plakat der Marke „Bier“.

Bhima Griem beim RapKreation PopUp Store in der Mimi Sabot Faster Galerie inmitten seiner Kunst

Bhima Griem freut sich über seine Musik // picture courtesy the author
Chefredakteurin Julianne Cordray baut Textur Stand auf
Julianne Cordray baut den Textur “Stand” auf // picture courtesy the author
Kunst von Bhima Griem und Bier Sponsoring
“Bier” Sponsoring und Griems Kunst // picture courtesy the author

Ich bin übrigens auch ironisch. Bhima und ich blockieren uns also in diesem Sinne gegenseitig. Ich bot bei der Veranstaltung dort beim Kauf eines Textur Magazins kostenfrei Selfies und Autogramme von mir an, eine besondere Dienstleistung, denn Geld ist mir wichtiger als alles andere in der (Kunst-)Welt. Aber nicht nur meine fragwürdige Performance sondern auch Bhimas Kunst erstickten im Kettenrauch der Jungs von RapK, die ihre jugendlich unreflektierte Hiphop-Maskulinität in der Ladenfront zur Schau stellten. So das Ganze also zu einem Witz, der als Geschichte ganz gut funktioniert, eines dieser Konzeptkunstdinger, die ich – man kann es ahnen – fürchterlich finde. Dann und wann verirrten sich auch Art Week-Gäste in den kleinen Laden, die trotz des saufenden und rauchenden Mobs etwas Zeit für die Kunst von Bhima hatten und auch mal ein Magazin in die Hand nahmen.

Habe ich gerade von unreflektierter Maskulinität geschrieben? Ja habe ich. So schaffte auch ich es in meiner optischen Mischung aus Pablo Escobar und Imbiss Bronko eine junge Frau in den Kauf eines Magazins zu nötigen. So schnell wie sie gekommen war ging sie wieder.

Tatsächlich war es eine Kiezveranstaltung für eingefleischte Kreuzberger, denn im Verlauf des Tages kamen Freunde, Nachbarn, Familien mit Kindern dazu und die Kiddies, die Fans der RapKs, die mit dem Kauf eines Pullovers, eines Hoodies, eines Shirts nun endlich dazugehören konnten. Da kamen offensichtlich junge, verknallte Mädels, teilweise mit ihren fünfziger Kreuzbergmuttis, und shoppten sich schnell in das soziale Umfeld ihrer Wahl – soziale Zugehörigkeit über Konsum, Konsum als sozialer Druck. Als soziologische Studie auf jeden Fall interessant. Ohne laute, repetitive Bumsmusik mit gepitchten Stimmen, die schreien wie fame sie sind und wie entspannt alles sei, wäre das sogar ganz nett gewesen. Ein kleines Straßenfest. Gegenkultur fast. Allerdings: gegen was?

Der feine Herr meinte aber noch was anderes. META! KRITIK! [ALLES ANDERS PLATZ!]

Eine Woche später danach gefragt, wo denn nun mein Artikel zu seiner Veranstaltung sei, sagte ich Bhima in etwa das, was in den letzten 800 Wörtern dieses Artikels steht. Ich wusste nicht, ob das für einen Artikel reicht. Ich wusste nicht, ob ich das jetzt verreißen wollte oder musste. Ich war im Allgemeinen einfach nur sehr genervt von den 7 Stunden, die ich dort verbracht hatte, nicht aber angepisst genug, um mich zu regen, nicht enttäuscht von der Kunst, auch nicht enttäuscht von der Gesamtveranstaltung als solches. Aber der feine Herr sagte zu mir, das sei alles sehr oberflächlich, was ich mir so denken würde. Dass ich nur das Offensichtliche sehen würde. Und der Künstler schien sehr enttäuscht.

Dann fragte ich ihn, was das Tiefgeistliche war, das er denn da zum Ausdruck bringen wollte und er sagte: Genau darum ginge es doch. Laut, schrill, kaufen. Genau wie die Art Week.

Und ja: Wer bei der Eröffnung der Art Week im „Alles Anders Platz“ war, der weiß genau was damit gemeint ist. Das wareb laute Bumsmusik, überteuerte Drinks und Snacks, eine Menge heiße Luft, Nebel sozusagen, Dunst, Schaumschlägerei, Männerdominanz, alles was die progressive Kunstszene eigentlich ablehnt. Da tanzten Leute zu Techno auf einer Bühne zum aggressiv-postironischen Bumssong „Don’t want no short dick man“, da regelten Securities den Eingang zum einzigen Bereich, der wohl richtig gut gewesen sein soll, wie mir die Auserwählten mitteilten, die reingekommen waren, die echten VIPs der Kunstszene (stehen in Schlangen und warten). Da gab es (und ich benutze sonst nie Anführungszeichen um Ironie zum Ausdruck zu bringen) „partizipative Kunst“, durch die Menschen laufen und auch mal einen Stift in die Hand nehmen durften.

Wir haben schon verstanden.

Und ja beim RapKreation Pop Up hatte man all das auch: Die Nebelwerfer waren die Künstler und Musiker, die ihre Lungen benutzen. Die Community, die vom Event profitierte, war zwar nicht die High Society der Kunstszene, aber immerhin eine Art High Society Kreuzbergs. Junge populäre Musiker, die ganz hedonistisch einfach eine gute Zeit haben wollten, bekamen sie und konnten sich etwas Taschengeld mit ihrem Merchandise verdienen, damit den Aufstieg in die nächste Liga des Rapgeschäfts finanzieren. Am Ende wurde Party gemacht, Menschen rasteten aus, tanzten, schrien, nahmen Drogen, produzierten Müll. Als Beobachter und im Hintergrund, über allem hingen Bhimas Gemälde, Objekte und Designs da und lachten darüber, wie alles eine Ausrede für Konsum wurde. Das Textur Magazin (repräsentiert von meiner merkwürdigen Performance und der Chefredakteurin Julianne Cordray) war stiller Partizipant eines absurden Mix, in der Hoffnung angetreten auch ein bisschen Fame abzugreifen, skrupellos in diese urbane Installation integriert.

An den Künstler, den feinen Herren Bhima Grima: Ich hoffe Sie sind nun zufrieden.

Anmerkung der Redaktion: Künstler Bhima Grima hat die Möglichkeit sich zum Text zu äußern, hat sie aber nicht wahrgenommen.

Petroschek Wulgarow verkauft Textur Magazin beim RapKreation Pop Up
Glücklicher Kunde kauft Textur Magazin und erhält kostenloses Selfie und Autogramm von mir. // picture courtesy of the author