The Artist As Brandby Sascha Boldt
Im Überfluss visueller Informationen ist es für KünstlerInnen heute notwendiger denn je durch eine gewisse Form der Wiedererkennbarkeit aus der großen Masse der zeitgenössischen Bilderflut hervorzustechen. Kunstwerke sollten ein Maximalmaß an Aufmerksamkeit innerhalb eines kulturellen Wertesystems erzeugen, um wahrgenommen und respektiert zu werden.
Es funktioniert zunehmend nur noch mit immer aufwändigeren, kostspieligen, komplizierten und raumgreifenden Lösungen sich von der Konkurrenz und erwartbaren Ergebnissen abzusetzen. Dieser Aufwand im technischen Sinne rückt Kunstwerke in die Nähe von industriellen Produkten, deren Komplexität und Perfektion sich nicht mit einfachen handwerklichen Mitteln umsetzen lässt. Das Paradigma – wiederholt besondere und einzigartige formale Lösungen anzubieten – muss oft einem unausgesprochenen Kanon gehorchen, der von den Gatekeepern des Kunstsystems definiert wird. Um innerhalb dieser Zielgruppe von Kennern anerkannt zu werden und daraufhin in den entscheidenden Instanzen der Kunstwelt und der Kunstgeschichte präsent zu sein und zu bleiben, gilt es trotz des vermeintlichen Bruches von Regeln wiederum, den (verdeckten) Erwartungen absolut gerecht zu werden.
Um als KünstlerIn kommerziell erfolgreich zu sein, geht es darum möglichst schnell die verschiedenen Etappen des Kunstsystems zu durchlaufen, darin aufzusteigen, sich nachhaltig zu positionieren und die eigenen Werke im internationalen Netzwerk, zwischen hochklassigen Galerien, Messen, Ausstellungsbeteiligungen, Sammlungen, Auktionen, Publikationen und Vermittlungsplattformen sichtbar zu platzieren. Über diese Hebel soll ein möglichst großer Mehrwert sowohl in Hinsicht von Beachtung als auch finanzieller Natur erzeugt werden.
Bei zunehmender Präsenz im Kunstmarkt und ansteigender Frequenz von Ausstellungsbeteiligungen werden für KünstlerInnen wiederholbare Gestaltungsprinzipien notwendig, damit u.a. eine persönliche künstlerische Handschrift an Assistent/innen delegiert, und möglichst effektiv multipliziert werden kann. Aus der kreativ agierenden Einzelperson wird durch diesen Schritt ein Künstlerstudio, eine Factory im Warhol′schen Sinne und aus der „freien“ Kunst mehr und mehr eine Marke.
„Joy in Repetition“ heißt ein Song des Sängers Prince und diese Maxime gilt oft sowohl in der Markenführung großer Unternehmen als auch im Erscheinungsbild der Kunstwerke berühmter Künstler.
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Es handelt sich dabei um die Methode durch eine stetige Wiederkehr von ähnlichen formalen Gestaltungsprinzipien oder Inhalten, eine Wiedererkennbarkeit und Orientierungshilfe für Rezipienten im Meer der unzähligen, miteinander konkurrierenden künstlerischen Positionen zu erzeugen.
Diese Andeutung der inhaltlichen Ausrichtung und des Erscheinungsbildes noch nicht umgesetzter neuer Kunstwerke schafft eine Art Sicherheit, die nachvollziehbar macht, auf welchen Kontext sich potentielle Kenner oder KäuferInnen längerfristig einlassen, wenn sie sich für das Oeuvre von KünstlerInnen interessieren oder sich dafür entscheiden deren Exponate für ihre Sammlung zu erwerben.
So wie eine klar definierte Corporate Identity für Unternehmen nicht mehr aus unserer kapitalistischen, markt- und markenorientierten Welt wegzudenken ist, wird sie auch im Feld der bildenden Kunst immer mehr zum Standard. Nüchtern betrachtet, sind sämtliche Stilprinzipien, die bildende KünstlerInnen nach klaren Regeln wiederholt in ihren Werken einsetzen, und auch sämtliche Vermittlungsstrategien dieser, eine Form der Markenführung.
Mit anderen Worten: Was wäre ein Museumsbesuch, wenn man ein Werk von Jeff Koons nicht erkennen würde!?
Marktorientierte KünstlerInnen fokussieren sich auf eine eingrenzbare Vorgehensweise, um ihre Ideen und Konzepte in ein formales Endprodukt umzuwandeln und somit Konsumprodukte als Abfolge mehrerer Kunstwerke und Werkgruppe zu generieren.
Beim klassischen Verkauf von industriellen Konsumgütern wird versucht KonsumentInnen über die Anreicherung ideeller Behauptungen zum Kauf bestimmter Produkte zu motivieren. Produkte werden mit Zuschreibungen und Attributen vermarktet, um eine Aufwertung und Entrückung aus dem Banalen der Masse zu erzeugen. Um ihre Marke erfolgreich aufzubauen, befinden sich Künstler/innen genau wie Unternehmen in einer Dauerpromotionschleife.
Sie müssen permanent anpreisen, wofür sie sich begeistern, wofür sie gerade recherchieren oder woran sie arbeiten, was sie planen oder umsetzen, um bei RezipientInnen, KuratorInnen, GaleristInnen und KäuferInnen Interesse, Empathie und Begehrlichkeiten zu wecken oder die Teilnahme an kommenden Ausstellungen und die Finanzierung geplanter Objekten oder Projekte zu sichern.
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Vermehrt unterstützen Social Media Kanäle dieses Prozess und lassen BeobachterInnen in einer Mischform von beruflichen und privaten Eindrücken am Leben und den Entwicklungen rund um die Produktion teilhaben.
Das KünstlerInnendasein wird zu einer 24/7 Dauerwerbesendung in immer beschleunigter Taktzahl.
Im Oeuvre einiger KünstlerInnen lässt sich bei aufmerksamer Betrachtung bei einer solch erhöhten Frequenz Folgendes vermehrt beobachten: In der puren Multiplikation der Stilmittel wird die ursprüngliche Ausformulierung genuiner Ideen als solitären Kunstwerke immer sinnentleerter. Die Arbeiten verkommen zur puren Hülle einer ursprünglichen Intention, zum Imageträger, zu einer Marke, zu einem Grafitti-„Tag“, das zum Ausdruck bringt: „Ich bin hier“, „Ich markiere diesen Ort als mein Revier“. Kunstwerke werden zu einer systemimmanenten Geste, zu einer Kopie und Variation dessen, was anfangs singulär oder besonders war.
Tiefgreifend erarbeitete Themen stagnieren oder rücken als Anliegen immer weiter in den Hintergrund. Ein elaboriertes Image wird stattdessen als hauptsächlicher Inhalt in immer weiteren Reproduktionen und Repräsentanzen seiner selbst manifestiert. Ehemals lebendige Ideenfindungen gerinnen dann zu einer Art Hülle absehbarer formaler Umsetzungen,
deren Daseinsberechtigung hauptsächlich durch ihren Marktwert oder die jahrelang akkumulierte Anerkennung unter vermeintlichen Kennern abgesegnet wird.
Solche Werke müssen als Serie multiplizierbarer Objekte bei Fachleuten nicht mehr durch ihre Einzigartigkeit überzeugen, sondern haben vielmehr ihren eigenen Standard gesetzt. Die Wertschätzung erwächst aus einer jahrelangen Beobachtung der Evolution eines Oeuvres. In einer solchen Setzung wird einer breiteren Masse an InteressentInnen dann die Möglichkeit geboten über serielle, schon erarbeitete und wiederholt umgesetzte Lösungen ein Stück von einem vollständigen künstlerischen Kosmos zu erwerben.
Eine minimale Variation dieser Arbeiten genügt bereits als Unterscheidungsmerkmal, um das einzelne Kunstwerk mit dem Attribut eines Originals auszustatten, obwohl es in ähnlicher Form zigfach existent ist. Sobald die Konsolidierung einer künstlerischen Position einsetzt, wird die Notwendigkeit durch Neuerungen zu überzeugen oder Aufmerksamkeit zu generieren kommerziell mitunter sekundär. Potenzielle KonsumentInnen wollen eher kaufen, was sie erwarten und was sie als Werk bzw. Produkt in ähnlicher Form zuvor an anderer Stelle von diesen KünstlerInnen bereits gesehen haben. Sie wollen einen identifizierbaren Baustein eines Markenkonstrukts besitzen.
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Ähnliches lässt sich bei Luxusmarken beobachten, deren eigentlicher Wert oft nur noch in der Erkennbarkeit als aufgeladene Marke liegt, jedoch nicht mehr durch eine besondere Umsetzung der Produkte. Diese Art Produkte wird sowohl in der Kunst als auch im Konsumbereich zum Merchandising eines Images, das sich als solches verselbstständigt, gestützt durch ein Umfeld, das hauptsächlich strategische oder monetäre Interessen verfolgt. Diese Entwicklung erzeugt oft ein Gefühl der Leere bei aufmerksamen BetrachterInnen. Eine fortlaufende Replikation des „same but different“ kann in diesem Kontext als ermüdende, langweilige Masche dechiffriert werden. Dieses „one trick pony“ als Konsolidierung ist am deutlichsten in Form der wiederholten Nutzung bestimmter Arbeitsmaterialien mit kleinen Variationen, meistens in abstrakter Form beobachtbar.
Die Fokussierung auf bestimmte Inhalte und Formen des Materialeinsatzes ist als Umkehrschluss für KünstlerInnen schon zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Karriere eine zwingende Grundlage für die Entwicklung ihrer Handschrift und das unausgesprochene Synonym einer vermeintlichen Professionalisierung.
Das Potenzial, formale Lösungen als Variationen in Serie anzubieten, signalisiert, dass sich die Kapazitäten und der künstlerische Output bei stärker werdender Nachfrage ohne Komplikationen entsprechend skalieren lassen. Das vermittelt die Bereitschaft im großen Stile im weltweiten Kunstgeschehen mitwirken zu wollen und impliziert eine dann einsetzende Preissteigerung der Werke.
Eine Konzentration auf begrenzte Arbeitsmaterialien, Themen und Umsetzungsweisen zeigt auch, dass die Notwendigkeit der Multiplikation bei zunehmender Expansion im Kunstsystem verstanden und verinnerlicht wurde. Auch kommuniziert eine solche Komplexitätsreduktion, dass der Weg geebnet ist, Schritte der Umsetzung künftiger Kunstwerke potenziell an AssistentInnen zu delegieren, um produktiver zu sein.
Ferner soll das Kalkül, ein Oeuvre mit Wiedererkennungswert aufzubauen, Sicherheit erzeugen. Die Beschränkung auf überschaubare formale Variationen und begrenzte Themenkomplexe hat zum Ziel das absolute Brennen für eine Sache darzustellen. Eine solche Obsession vermittelt Authentizität und Ankerpunkte, erzeugt Zuordnungsmöglichkeiten und Widerhall.
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Marktorientierte KünstlerInnen lassen sich schlussendlich über die Verarbeitung ähnlicher Inhalte, bestimmter Materialien oder sehr überschaubarer Vorgehensweisen definieren. Hauptsächliches Ziel ist dabei, die Ergebnisse zeitgenössisch und trendy wirken zu lassen und die Nachfrage nach ähnlichen Kunstwerken, die bereits eine gewisse Wertschätzung erfuhren, mit gleichem Standard zu befriedigen.
Inhalte werden dabei sekundär, das „warum“ ist kaum mehr relevant.
Wagnisse, ein Scheitern an der Umsetzung intendierter Ergebnisse durch zu große Experimente und die risikobehaftete Abweichung von bisher bekannten Resultaten werden aus Gründen des Kalküls vermieden. Die pure Gestaltung von Oberflächen bildet zunehmend den Kern dieser Arbeiten.
Eine solche Beschränkung in Serie vereinfacht die Identifikation von ProduzentInnen und Werk, um sich bei RezipientInnen möglichst direkt zu verankern. Künstlerin X ist dann z.B. jene, deren Arbeiten stets nur mit einer Art Schrauben auf einer Vielzahl von Oberflächen gestaltet werden, um damit Rasterungen zu erzeugen, Künstler Y folgender, der hauptsächlich nur mit einer Art Dämmplatten aus dem Baumarkt arbeitet und Künstlerin Z gestaltet alle ihre Arbeiten primär aus Seife als Werkstoff und so weiter … diese Reihe ist beliebig fortsetzbar.
Am besten orientieren sich die Ergebnisse dann an der klassischen Minimal Art, um an deren vermeintliche Ernsthaftigkeit und Intellektualität anzuschließen. Understatement und Reduktion sind weitere willkommene Komponenten, denn in Kennerkreisen wertgeschätzte zeitgenössische Kunst sollte möglichst puristisch und vage sein.
Der Slogan „Art is based on copy and paste“ wird dabei zum Motto in eigener Sache und das Repetitive verdichtet sich zu einem Bestandteil dieser Kunstmarken.
Für KünstlerInnen ist es eine immer größere Herausforderung ihre Arbeit zwischen den Polen eines authentischen kreativen Anliegens und eines sich immer mehr kommerzialisierenden Umfelds aufzubauen, diese kontinuierlich mit Leben zu füllen und ein übersättigtes Fachpublikum mit herausragenden Lösungen zu begeistern. Der Anspruch möglichst individuell zu sein, muss dem Schritt standhalten zu einem Unternehmen zu werden und wie ein solches zu agieren.
Um auf die Erwartungen an eine solche Professionalisierung und expandierende Nachfrage zu reagieren. müssen dann solche Ideen mit einem seismographischen Fingerspitzengefühl gefunden werden, die der Komplexität der Anforderungen gerecht werden. Vorausschauend und geschäftstüchtig müssen sämtliche Faktoren wie Investitionen, gewinnbringende Vermarktung, Delegierung von Aufgabenbereichen, Verwaltung und erwartbare Umsätze beobachtet werden.
Auf diese Weise transformieren sich KünstlerInnen zu Business Artists in einem verstärkt markenorientierten Umfeld der Kunstwelt.
Losgelöst davon ist die Kunst an sich in ihrem freien Wesen überall dort existent, wo man sich ihr um ihrer selbst willen zuwendet.
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